Mentale Gesundheit & seelisches Wohlbefinden - Teil II
Der erste Teil dieser Serie von Blogartikeln handelte von unseren modernen Alltagsstrukturen und ihren Einfluss auf die mentale Gesundheit. Außerdem ging es um den Zusammenhang von kulturellen Narrativen und mentaler Resilienz.
In diesem zweiten Teil von „Mentale Gesundheit & seelisches Wohlbefinden“ geht es darum, wie unsere Kommunikationsgewohnheiten unsere mentale Gesundheit beeinflussen. Wir bewegen uns dabei von der kollektiven strukturellen Dimension hin zu deiner persönlichen individuellen Ebene.
Hast du dich schon mal gefragt, wie die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft kommunizieren dein eigenes Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst? Wahrscheinlich eher weniger, oder? Also los, schnall dich an, die Reise startet!
Du erfährst in diesem Artikel tiefgehende Gedanken zu folgenden Herausforderungen und hilfreiche Aspekte für deine mentale Gesundheit:
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strukturelles, systemisches Gaslighting: Wie Alltags - Wording unsere Gedanken prägen
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gesellschaftliche DNA: Selbstzweifel – wie systematische Abwertung unseren Selbstwert untergraben
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Vom Frust, nicht ernst genommen zu werden – Gaslighting durch Experten und Autoritäten
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Weitere destruktive Kommunikationsgewohnheiten – Gossip
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Und nun? - Wege zu mentaler Gesundheit
Strukturelles, systemisches Gaslighting
Ein besonders prägendes Beispiel für destruktive Kommunikationsgewohnheiten im Alltag ist das sogenannte systemische Gaslighting. Vielleicht fragst du dich jetzt: Hä? Was soll das sein?
Gaslighting ist ein Begriff aus der Psychologie und beschreibt eine manipulative Kommunikationsweise, die das Gegenüber an der eigenen Wahrnehmung zweifeln lässt. Diese gezielte oder unbewusste Strategie sät Zweifel und kann systematisch eingesetzt werden.
Doch Gaslighting passiert nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen – es gibt auch eine viel größere, oft übersehene Dimension: das strukturelle, systemische Gaslighting. Dabei werden ganze Gruppen systematisch in ihrer Wahrnehmung verunsichert. Besonders betroffen sind Frauen, Kinder und Minderheiten.
Ihnen wird gesellschaftlich eingeredet, dass ihre Wahrnehmung falsch sei – und das in großem Stil. Wenn Mädchen immer wieder hören, sie seien schlecht in Mathematik, nicht logisch denkfähig oder zu emotional, untergräbt das ihre eigene Wahrnehmung. Sie beginnen, an ihren kognitiven Fähigkeiten zu zweifeln, unterschätzen sich selbst und überschätzen gleichzeitig die Kompetenz anderer. Sie lernen, dass Autoritäten ‚richtiger‘ und ‚besser‘ sind als ihre eigene Intuition – und übergehen ihr Wissen und ihre Erfahrung.
Während Mädchen lernen, sich selbst zu unterschätzen, zeigt sich auch bei Jungen, wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen und die damit einhergehende Kommunikation ihre Identitätsentwicklung beeinflussen.
Jungen erleben oft, dass männliche Bezugspersonen in ihrer Kindheit rar sind. Häufig ist es immer noch so, dass Mütter zu Hause bleiben und mehr Care-Arbeit übernehmen. Außerdem erleben sie in Kindertages- und Bildungseinrichtungen eher Erzieherinnen oder Grundschullehrerinnen während Erzieher oder Grundschullehrer noch immer die Ausnahme sind. So fehlen ihnen authentische, erwachsene männliche Vorbilder, die als Orientierung dienen könnten , sowohl im Hinblick auf adäquate Regulation von Emotionen wie auch einen angemessenen Kommunikationsstil.
Auch wenn Jungen auf den ersten Blick weniger unter direkten negativen Zuschreibungen leiden, prägt das Fehlen männlicher Vorbilder ihre Wahrnehmung von Männlichkeit – und führt dazu, dass sie oft versuchen, ihre Identität über nicht-typisch weibliche Verhaltens- und Kommunikationsweisen zu definieren.
Gesellschaftliche DNA: Selbstzweifel

Es handelt sich hierbei um Stereotype, die so tief in unserer gesellschaftlichen DNA und in normalen Denkgewohnheiten verankert sind, dass sie kaum ernsthaft hinterfragt werden. Sie werden ungefiltert und unreflektiert von einer Generation an die nächste weitergeben.
Durch das Drängen in typische Rollenmuster schon im Kleinkindalter (z.B. geschlechtsspezifisches Spielzeug, Kleidung, Rollenerwartungen) werden diese Stereotype weiter vertieft und auch in der alltäglichen Kommunikation immer weiter verfestigt.
Frauen sind dadurch viel öfter von Selbstwertproblemen und Zweifeln an der eigenen Wahrehmung heimgesucht und trauen sich in der Regel weniger zu als Männer. Gerade im beruflichen, wirtschaftlichen und politischen Umfeld ist dies deutlich sichtbar. Häufig wird ihnen gar nicht zugetraut, herausfordernde Situationen souverän zu meistern.
Und Männer fühlen sich gezwungen, sich über Abgrenzung von Weiblichkeit zu definieren – was oft in toxische Männlichkeitsmuster mündet.
Dieses systemische Gaslighting erschafft eine gesellschaftliche DNA aus Selbstzweifeln, die sich tief in Denk- und Verhaltensmuster einprägt.
Es führt dazu, dass Frauen es selbst übernehmen, da sie sich den vorherrschenden Strukturen anpassen. Sie fangen an, so zu denken und zu kommunizieren. Dadurch tragen sie unbewusst zur Aufrechterhaltung dieser ungerechten Strukturen bei, indem sie sich und andere Frauen abwerten und ihnen – genau wie es ihnen selbst widerfahren ist – weniger zutrauen. Ein Teufelskreis.
Glaubenssätze wie:
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Mädchen müssen mit Puppen spielen
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„Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ (Eine Form von Gaslighting, die Jungen ihre Schmerz- und Leidensfähigkeit abspricht. )
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Mädchen sind schlechter in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern und tun sich schwer mit logischem Denken
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Jungen müssen sich behaupten - notfalls mit Gewalt („Dann schlag zurück...“) statt friedliche Konfliktlösungen zu lernen und einzuüben
Diese Botschaften graben sich tief in unser Bewusstsein und Unterbewusstsein ein und verselbstständigen sich dort, prägen Sprache, Verhalten und Denkmuster.
Das ursprünglich von Außen kommende toxische Kommunikationsmuster wird internalisiert und trägt maßgeblich zu unseren zerstörerischen inneren Dialogen bei. Frauen tragen dadurch eine riesige psychoemotionale Belastung, die im Laufe ihres Lebens weiter verstärkt wird.
Dies hat nicht nur Folgen für die mentale Gesundheit von Frauen sondern auch für ihr körperliches Wohlbefinden. Ca. 80% der Autoimmunerkrankungen betreffen Frauen. Sie sind aufgrund dieses strukturellen Ungleichgewichtes stärker burnoutgefährdet, leiden häufiger an Depressionen, psychosomatischen Erkrankungen und Angststörungen.
Strukturell – systemisches Gaslighting sät ständige Abwertung und Zweifel an der eigenen Wahrnehmung. Es erzeugt chronischen Stress – und der löst eine hormonelle Kaskade aus, die auf Dauer Gift für den weiblichen Körper ist.
Frauen müssen in der Folge viel mehr mentale und emotionale Energie aufwenden, um sich in dieser Gesellschaft überhaupt zu behaupten und irgendwie gesund zu bleiben – mit potenziell schweren gesundheitlichen Konsequenzen.
Vom Frust, nicht ernst genommen zu werden – Gaslighting durch Experten und Autoritäten
Das führt uns zum nächsten praktischen Beispiel. Viele Menschen kennen das Gefühl, mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen zu werden – besonders im Gesundheitswesen. Sie schildern ihre Symptome, nur um dann zu hören: „Sie haben nichts, das ist nur psychisch.“ oder „Was wollen Sie hier überhaupt?“ Solche Aussagen sind nicht nur entmutigend, sondern auch eine Form von Gaslighting – kombiniert mit Ignoranz, Überheblichkeit und oft auch Zeitdruck.
Unser leistungsorientiertes Gesundheitssystem ist geprägt von Dauerstress und Überforderung. Ärztinnen und Ärzte arbeiten am Limit, während Patientinnen und Patienten das Gefühl haben, nicht gehört zu werden. Die Kommunikation leidet auf allen Ebenen: Menschen sprechen aneinander vorbei, Missverständnisse häufen sich, und ernsthafte Symptome werden übersehen oder falsch behandelt.
Die Gehirnwäsche der letzten Jahrhunderte hat perfekt funktioniert – insbesondere, wenn es darum geht, die Wahrnehmung und das Wissen der einen Hälfte der Bevölkerung abzuwerten, denn auch hier erleben Frauen diesen Mechanismus verstärkt. Ein Grund dafür liegt in der medizinischen Forschung selbst: Die meisten Studien werden bis heute vorwiegend an männlichen Probanden durchgeführt.
Frauen sind in vielen Bereichen der Medizin schlichtweg unterrepräsentiert. Das führt dazu, dass essenzielle Daten über weibliche Gesundheit fehlen – mit gravierenden Folgen. Symptome werden fehlinterpretiert, Medikamente überdosiert oder gar falsch verordnet.
Statt nach der tatsächlichen Ursache für Beschwerden zu suchen, wird Frauen oft unterstellt, sie seien einfach „zu empfindlich“ oder stünden unter emotionalem Stress. Viele erhalten anstelle einer notwendigen medizinischen Behandlung Psychopharmaka – nicht, weil sie diese bräuchten, sondern weil es bequemer ist, sie ruhigzustellen.
Ein weiterer Teufelskreis beginnt: Die betroffene Frau wird erneut nicht ernst genommen, ihr Leidensdruck steigt, ihre mentale Gesundheit verschlechtert sich weiter.
Dabei sollte eines klar sein:
Ärztinnen und Ärzte mögen Expert*innen für ihr Fach sein – doch die Person, die vor ihnen sitzt, ist die Expertin für ihren eigenen Körper, ihr Befinden und ihr Wohlgefühl.
Weitere destruktive Kommunikationsgewohnheiten - Gossip
Doch auch in Politik, Wirtschaft und im Alltag beobachte ich eine vermehrte Verrohung der Sprache und die Abwertung sowie sprachliche Missachtung von Menschen. Im Bereich der sozialen Medien die eine Art Schutz der Anonymität bieten, kommt es ziemlich oft zu heftigen verbalen Entgleisungen in Form von sogenannten „Shitstorms“ bis hin zu ernsthaften verbalen Bedrohungen.
Nicht zu vergessen ist die Gewohnheit des Übereinanderredens im nahen Umfeld. Statt miteinander in den Austausch zu gehen sind Gossip und Lästerein eine alltägliche Gepflogenheit. Die Art und Weise, wie übereinander geredet wird, geht oft weit über 'gut gemeinte' Ratschläge oder Besserwissereien hinaus und nimmt zum Teil äußerst aggressive und sogar bösartige Formen an.
Die lästernden Personen glauben oft zu wissen, was für andere am besten ist, übersehen jedoch, dass wir nur erahnen können, was in jemandem vorgeht und welche Beweggründe sein Verhalten bestimmen. Diese als „normal“ betrachtete Kommunikationsweise sät Misstrauen, da der Eindruck entsteht, dass wer heute nicht anwesend ist, beim nächsten Mal selbst Ziel von Beschämung und Lästereien wird.
Unbemerkt nehmen sie sich eine Portion „Mental Load“ mit, die eigentlich nicht ihre eigene ist, indem sie sich ohne Aufforderung mit den Herausforderungen, Problemen und Sichtweisen einer anderen Person befassen. Das „ungefragt“ ist hier entscheidend! Einerseits ist dieses Verhalten ziemlich übergriffig, andererseits entzieht es der anderen Person die Verantwortung für ihre eigenen Themen.
Ein Beispiel aus dem Alltag, das wohl jeder kennt: Autofahren. Jeder, der am Straßenverkehr teilnimmt, ist überzeugt, ein vorbildlicher Fahrer zu sein – alle anderen jedoch sind rücksichtslos und gefährden sich und andere. Hm, wenn nur ich mich an alle Verkehrsregeln halte und alle anderen sich als Rüpel aufführen – aber grundsätzlich jeder so denkt… - Finde den Fehler!
Innere Dialoge
Wir kommen der individuellen Kommunikationsebene immer näher und wie du anhand der vorigen Abschnitte gut nachvollziehen kannst, haben die äußeren, gesellschaftlich üblichen Kommunikationsgewohnheiten enormen Einfluss auf unsere inneren Dialoge.
Mit innerer Kommunikation meine ich unsere Selbstgespräche, die wir entweder in unserem Kopf mit uns selbst führen oder auch laut aussprechen.
Häufig sind diese geprägt durch abwertende, kritische oder auch zynische Gedanken, die uns so den ganzen Tag durch unseren Geist spuken. Sie sind weder liebevoll noch wertschätzend, sondern meist voller Selbstzweifel und Unsicherheiten, Sorgen und fiktionaler Katastrophenszenarien. Das zieht ganz schön viel geistige Kapazität und ist auf Dauer ziemlich ermüdend und führt zu geistiger Erschöpfung. Denn in unserem System wird ein Hormoncocktail ausgeschüttet, der uns auf Flucht oder Kampf vorbereitet.
Unser Gehirn unterscheidet dabei nicht, ob das was wir da gerade Denken und uns ausmalen nur virtuell in unserem Kopf passiert oder auf realen Ereignissen in unserer Umgebung basiert.
Und nun? - Wege zu mentaler Gesundheit

1. Hier hilft der Realitätscheck. Du kannst dafür in eine Art Beobachter*innenrolle schlüpfen – der "Spectator-Modus" im Minecraftspiel sozusagen und deine Gedanken mit den tatsächlichen Sinneseindrücken abgleichen. Meist wirst du feststellen, dass dir keine reale Gefahr droht. Du spürst sofort Entlastung und Erleichterung.
2. Ein sehr wichtiger Punkt ist deinen inneren Dialog zu verändern, indem du übst, wohlwollend und wertschätzend mit dir selbst zu sprechen, Mitgefühl mit dir selbst zu haben und dies in guten Gedanken zu kultivieren und daraus neue Denkgewohnheiten zu entwickeln. Deshalb plädiere ich für das Pflegen guter Gedanken, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Denn so wie ich mit mir selbst bin, beeinflusst auch, wie mein äußerer Gesprächsstil geprägt ist. Meist halten wir uns nämlich an soziale Normen und sind freundlich zu unserem Gegenüber.
3. Eine weitere Möglichkeit ist der Ansatz der Künstlerin LiShalima. Sie entwickelte das Konzept der "wertschätzenden Sprache". Es handelt sich um eine Evolution des Konzeptes der "gewaltfreien Kommunikation" nach Marshall B. Rosenberg.
Sie setzt sich dafür ein, unsere Sprache im Alltag in Richtung Wertschätzung, Wohlwollen und Dankbarkeit zu lenken und damit einen neuen, authentischen und freundlichen Umgang miteinander zu pflegen. https://wertschaetzende-sprache.jimdofree.com/
Fazit
Sowohl innere als auch äußere Dialoge beeinflussen maßgeblich unsere mentale Gesundheit und prägen unser seelisches Gleichgewicht – lass uns also wohlwollend und wertschätzend miteinander in Kontakt treten, uns gegenseitig Anerkennung schenken sowie respektvoll mit uns selbst und anderen interagieren.
Dies kann gelingen, indem wir einen Wortschatz pflegen, der positive, kultivierte Ausdrücke und poetische Worte sowie Vokabeln der Wertschätzung beinhaltet.
Allein der Begriff 'Wortschatz' impliziert schon, welch kraftvolle und heilsame Wirkung Worte haben können, genausogut aber auch destruktiv, zerstörerisch und kriegerisch – wie ich ausführlich weiter oben dargelegt habe.
Doch wir haben die Verantwortung, aus einem wachen Bewusstsein heraus zu entscheiden, was wir kultivieren möchten. Etablieren wir einen edlen, respektvollen und wertschätzenden Sprachstil für uns selbst und im Gespräch mit unserem Umfeld, fördern wir ganz automatisch auch unsere mentale Gesundheit.
Gleichzeitig formt dies auch unsere allgemeine Haltung zum Leben:
Optimismus vs. Pessimismus
echte Empathie vs. Übergriffigkeit
Resilienz vs. Übertriebene Empfindlichkeit
Orientierung an echten Bedürfnissen vs. Konsumwahnsinn
Ernstnehmen des Gegenübers vs. Gaslighting
Zuhören vs. Manipulation
Anhand der in diesem Teil der Blogartikelserie zum Thema "mentale Gesundheit & seelisches Wohlbefinden" dargelegten Beispiele wie alltägliche Kommunikationsgewohnheiten uns beeinflussen kannst du nun bei dir selbst und in deinem Umfeld beobachten, erkennen und dann aktiv verändern.
Also sei dir deiner Handlungsmacht bewusst und entscheide weise, welche Kommunikationsmuster du weiter nähren möchtest und welche gesund für dein mentales und seelisches Wohlbefinden sind.

Ausblick
Im dritten und letzten Teil dieser Serie erfährst du, was mentale Bedürfnisse ausmacht, wie du sie für dich erkennst und welche geistigen Bedürfnisse uns helfen, uns aus den beschriebenen destruktiven Mustern zu lösen. Ich zeige dir einen praktischen Weg, wie du nachhaltig deine persönliche mentale Gesundheit fördern kannst und langfristig resilienter und klüger im Umgang mit dir selbst und deiner Umwelt umgehen wirst. So etablierst du mentale Balance und ganzheitliches, seelisches Wohlbefinden.